Schmerzen sind keine Funktionsbeeinträchtigung

Dieses Statement charakterisiert das Dilemma in der Begutachtung chronischer Schmerzen:
Während für den Schmerzpatienten der von ihm wahrgenommene Schmerz meist die wichtigste Beeinträchtigung im Alltag und auch den Hinderungsgrund für eine berufliche Rehabilitation darstellt, bedingen “normale” Schmerzen in der sozialmedizinischen Begutachtung keine eigene Funktionsbeeinträchtigung. Oft geht der Gutachter auf das Symptom “Schmerz” zumindest aus der Sicht des Betroffenen nicht ausreichend ein.

Die Notwendigkeit zu Gutachten unter besonderer Berücksichtigung chronischer Schmerzen entsteht oft aus dem unbefriedigend gelösten Spannungsfeld zwischen rein organisch ausgerichteten orthopädisch-chirurgischen Gutachten und den psychiatrisch-psychologischen Gutachten. Die hierbei entstehende, oft diskrepante gutachtliche Aussage bezieht häufig die eigentliche Schmerzursache ebenso wenig ein wie Antworten auf Fragestellungen zur störungsspezifischen Behandlungsmethoden, iatrogen verursachter Chronifizierung, eventuellen Missbrauchs- und Abhängigkeitssyndromen oder auch zu Nebenwirkungen bestimmter Schmerzmedikamente.

Leitliniengerecht muss der mit der Begutachtung von Schmerzen beauftragte Gutachter über den aktuellen evidenzbasierten Wissensstand zu den verschiedenen Krankheitsbilder mit dem Leitsymptom "Chronischer Schmerz" verfügen und auch die von der Ärztekammer verliehene Zusatzbezeichnung “Spezielle Schmerztherapie” besitzen.

Chronische Schmerzen treten oft mit psychosomatischen Co-Morbiditäten oder nicht selten auch als Leitsymptom einer primär psychischen Erkrankung auf. Die Begutachtung chronischer Schmerzen stellt also - bezugnehmend auf die diesbezüglichen Leitlinien - weitreichende Anforderungen an die persönliche fachliche Kompetenz und die sozialmedizinische Erfahrung des Gutachters.